SEGELTÖRN IN DIE WINDWARD ISLANDS
[03.02. - 19.02.2000]
 
Oktober 1998
Fünf Leute treffen die folgenschwere Entscheidung, Ende Dezember 1999 zu diesem sagenumwobenen Jahreswechsel in die Karibik zu segeln. Nachdem eine Mitseglerin allerdings absagt, verschieben wir aus Kostengründen den Törn auf Februar 2000.
 
Vermittelt wurde alles durch das Yacht- und Charterzentrum in Heiligenhafen. Der Vercharterer vor Ort auf Martinique ist Chimere Yachting. Unser Boot ist eine Feeling 356, Bj. Mai '98. Für zwei Wochen kostet das Boot 6.800,- DM. Die Flüge haben wir bei Air France gebucht, das Stück für 1.360,- DM ab Köln-Bonn.
 
Alle sind geimpft (Diphtherie, Tetanus, Hepatitis A + B, Typhus), die Kosten hierfür belaufen sich noch einmal auf 300 - 400 DM. Nun soll aber unserem lange erwarteten Urlaub nichts mehr im Wege stehen.
 
Wir haben zwei Revierführer in Buchform an Bord, beide aus Deutschland mitgebracht und beide im letzten Jahr aktualisiert. Der eine ist der von Bernhard Bartholmes, der andere ist von Chris Doyle. Zwar ist der Bartholmes in Deutsch und mit einem stabilen Einband versehen, empfehlen kann ich ihn aber dennoch nicht. Er war nicht besonders ausführlich und manche Informationen waren schlichtweg schlecht recherchiert. Den Führer von Chris Doyle habe ich mir auf Empfehlung meines Vercharterers über das Internet in den USA besorgt. Und deutlich preiswerter war er obendrein. Alle Informationen waren aktuell und sehr ausführlich dargestellt, auch den Landgang betreffend. ISBN 0-944428-46-0, Preis ca. 45 DM incl. Porto etc.
 
 
Donnerstag, 03.02.2000
Nachdem vier Urlaubsreife sich um 12.00 Uhr am Köln-Bonner Flughafen getroffen haben, ist die erste Ernüchterung auch schon da: der Flug nach Paris hat Verspätung; und zwar ca. 1½ Stunden. Damit ist auch der Anschlußflug von Paris nach Fort-de-France/Martinique gefährdet, da unser Aufenthalt in Paris ebenfalls nur 1½ Stunden beträgt. Einen weiteren Flug ab Paris gibt es an diesem Tag nicht, und die Flüge an den nächsten beiden Tagen sind komplett ausgebucht. Verhaltener Unmut macht sich breit. Erst mal abwarten. Als es dann mit 80 Minuten Verspätung endlich losgeht, stellt sich zum ersten Mal etwas Urlaubsstimmung ein. Unser Flugzeug, eine Saab 2000 mit 50 Sitzplätzen, ist voll besetzt und überraschend geräumig. Nach der Landung in Paris nehmen wir die Beine in die Hand und sprinten quer durch vier Abflughallen in die untere Ebene und landen gehetzt vor der Abfertigung Richtung Martinique. Dort erfahren wir dann, daß der Flug nach Fort-de-France ca. 2½ Stunden Verspätung hat. Erleichtert-verzweifeltes Grinsen macht sich auf unseren Gesichtern breit. Fängt ja gut an. Endlich im Flieger, einer Boeing 747-200, starten wir mit 2¼ Stunden Verspätung Richtung Karibik. Der Jumbo ist bis auf den letzten Platz besetzt, und der Sitzabstand jämmerlich gering. Wir fühlen uns wie Sardinen in der Dose. Und das für die nächsten 8½ Stunden. Endlich, um 22.30 Uhr Ortszeit, landen wir in Fort-de-France. Unser Taxifahrer wartet schon, um uns nach halbstündiger Fahrt in unserem Hotel ‚La Girafe' in Le Marin abzusetzen. Für die 35 km lange Fahrt zahlen wir 340 FF (ca. 100,-DM). Der Patron erwartet uns. Alex und Martina sowie Guido und ich teilen uns je ein Zimmer. Diese Paarung bleibt auch irgendwie über die nächsten dreieinhalb Wochen mehr oder weniger so bestehen. Tasche abstellen, kurze Orientierung, zwei schnelle Biere und schon liegt die Crew in den Betten. Frühstück wird für 8:30 Uhr vereinbart.
 
 
Freitag, 04.02.2000
Die Nacht war laut, unser Zimmer liegt an einer Hauptstraße, aber wir sind endlich am Ziel unserer immerhin 16-monatigen Vorfreude. Die Zimmer kosten 504 FF (ca. 150,- DM) pro Nacht für zwei, incl. Frühstück. Wir treffen uns im Zimmer von Alex und Martina, wo unser Frühstückstisch aufgebaut wird. Es ist ein wenig exotisch, weil man nicht alles kennt. Kleine fritierte Bällchen, die ein wenig nach Fisch schmecken, finden keine allgemeine Zustimmung. Sie schmecken auch nicht besser mit der sehr leckeren Ananasmarmelade. Dafür ist der Saft klasse, das Obst frisch und ebenfalls sehr lecker. Ab heute müssen wir auch mit dem für deutsche Gaumen auf Dauer nicht so geliebten Weißbrot Vorlieb nehmen. Gegen 10.00 Uhr schauen wir uns erstmalig bei Tageslicht um. Das Hotel liegt sehr zentral direkt am Yachthafen. Wir melden uns beim Vercharterer und erhalten die Auskunft, uns morgen nachmittag wieder zu melden, um die Übernahme des Bootes, welche für Samstag, 17.00 Uhr geplant ist, zu bewerkstelligen. Danach schlendern wir über den Steg, um vielleicht schon mal einen Blick auf unser zukünftiges zu Hause zu erhaschen. Es ist reichlich warm, und wir sitzen wenig später schon in der ersten Bar, um bei Saft und Kaffee zu entspannen und den Streß der letzten Monate langsam abzubauen. Ein Kaffee kostet etwa 15 FF, eine große Flasche Wasser ebenfalls. Den Mittag vertrödeln wir, und nachmittags lassen wir uns zum Einkauf in den Supermarché Annett fahren. Dort legen wir erst einmal 2.900 FF (ca. 870,- DM) aus. Bier, Cola, Saft, Trinkwasser, Nudeln, Reis, Obst, Gemüse, Knabberzeug, Marmelade, Putzsachen und was man sonst noch so braucht kosten hier mindestens genauso viel wie zu Hause. Das Restaurant unter der Girafe, das ‚Le Resto', hat abends eine recht interessante Speisekarte. Hier kann man, direkt an der Promenade sitzend, Lokalkolorit genießen. Nach diversen Bierchen und einigen Spirituosen ist der Hunger aber nicht mehr ganz so groß. Martina geht früh und  ohne Essen ins Bett, Alex spät, aber auch ohne Essen, und Guido, mein Zimmergenosse aus Köln, und ich testen das Creolische Hühnchen (55 FF). Allerdings ebenfalls ohne rechten Appetit. Wegen des Zeitunterschiedes (in Europa ist es immerhin fünf Stunden später) liegen wir gegen 22:00 Uhr erschlagen im Bett. Morgen geht es weiter.
 
 
Samstag, 05.02.2000
Um 8:30 Uhr gibt es wieder Frühstück bei Martina und Alex im Zimmer. Die beiden kommen aus Bonn. Alex ist mein Co-Skipper und anerkannter Trimmexperte. Irgendwie habe ich mir eine total verspannte Schulter zugezogen; recht schmerzhaft. Aber Guido verpaßt mir eine Massage, damit ich wenigstens meinen Kopf wieder bewegen kann. Um 10:00 Uhr stehen wir wieder am Steg und warten darauf, daß es Nachmittag wird. Mittags gibt es belegte Baguettes. Erste Anfragen beim Vercharterer vertrösten uns auf 17:00 Uhr. Da wir aus dem Hotel auschecken müssen, können wir gegen 15:00 Uhr schon mal die Taschen aufs Boot schaffen. Um Punkt fünf dürfen wir dann das Boot betreten, eine Feeling 356 mit Namen "Sea Joy". Wie sich später herausstellte: Nomen non erat Omen. Für die Nichtlateiner: Vorspiegelung falscher Tatsachen. Da das Schiff drei Kabinen hat, wir aber vier Leute sind, einigen wir uns auf folgende Regelung: Jeder verbringt 3½ Nächte im Salon, damit man dafür dann immerhin zehn, elf Nächte in einer geräumigen Doppelkabine verbringen kann. Martina erklärt sich freundlicherweise bereit, sogar die ersten fünf Nächte dort zu schlafen, so daß wir Jungs jeder noch drei etwas unbequemere Übernachtungen haben werden. Nachdem alle ihre Sachen in den Schränken verstaut haben und der Proviant in den Backskisten lagert, ist es dunkel und wir überlegen uns, was man abends essen könnte. Wir sitzen dann im ‚Mango Bay !!' bei profaner Pizza (48 - 62 FF) und einheimischem Bier, Marke Lorraine. Es wird uns über die nächsten zwei Wochen ein treuer Begleiter. Die Bedienung im ‚Mango Bay !!' ist selbst für karibische Verhältnisse ausgesprochen träge. Vielleicht liegt das am Klima. Wenn wir uns nicht mehrmals bemerkbar machen, dann gibt es gar nichts. Aber irgendwie gewöhnen wir uns im Laufe der Zeit an das langsame Leben.
 
 
Sonntag, 06.02.2000
Erstes Frühstück an Bord. Wir sind alle recht früh wach, sicherlich auch eine Folge der Zeitumstellung. Ich kann meinen Kopf kaum bewegen. Gestern abend hat Guido mir noch den Hals-/Schulterbereich massiert. Mal abwarten. Wenn es nicht besser wird im Laufe des Tages, muß ich wohl zum Arzt. Wieder beim Vercharterer wollen wir wissen, wann es denn losgehen kann. Aber erst mal wird ein neues Großfall eingezogen und wir müssen uns die Schnorchelsets, den Grill, das Kartenmaterial und den Kurzwellenempfänger kümmern und an Bord bringen. Da wir noch zolltechnisch ausklarieren müssen, drängt die Zeit, da der Zollbeamte nur bis 12:00 Uhr da ist. Um 11:00 Uhr ist immer noch nicht alles zur endgültigen Übernahme bereit, so daß Martina sich mit der Dame am Stützpunkt anlegt, um wenigstens schon mal die Schiffspapiere für den Zoll zu erhalten. Nach kurzen Disput klappt dies dann wenigstens. Gegen 11:30 Uhr werden wir von George, einem Einheimischen, in das Boot eingewiesen. Der Stützpunktleiter (oder der, den wir dafür halten), ein Franzose, würdigt uns während des ganzen Vormittags keines Blickes. Und reden kann er scheinbar auch nicht. Unfreundlicher Mensch. Kurz nach 12:00 Uhr heißt es dann endlich Leinen los. Ich habe noch zwei Schmerztabletten eingeworfen; mein Nacken ist immer noch nicht in Ordnung. Der Wetterbericht verspricht Temperaturen von 26 - 28° C am Tag und 22° C in der Nacht. Wind aus E, Welle 2 - 2,5m. Das Dinghi im Schlepp verlassen wir Le Marin mit Kurs auf St. Lucia. Wir wollen bis zur Marigot Bay, schaffen es aber nur bis zur Rodney Bay, da wir nicht im Dunkeln ankern wollen. Hinter dem Yachthafen im Osten der Bay ist eine Ankerbucht, in der wir noch ein freies Plätzchen finden. Tagesetappe 28sm. Kurz vor 18.00 Uhr düsen Guido und ich mit dem Dinghi zu Customs und Immigrations. Auf den ersten Metern macht sich aber schon unser Dinghi unbeliebt. Es läuft sehr schnell voll mit Wasser, etwa 20 Liter in wenigen Minuten, so daß wir während der Fahrt auch gleich schon lenzen müssen, um nicht zum U-Boot zu werden. Tolle Überraschung. Das muß dem Vercharterer doch vorher bekannt gewesen sein. Am Zoll angekommen müssen wir feststellen, daß man schon Feierabend hat, und somit fahren wir unverrichteter Dinge wieder zurück. Auf halber Strecke zum Boot verweigert der Außenborder mangels Benzin seine Arbeit. Ich hatte vorher noch nachgeschaut und am Motor gerüttelt und den Inhalt für ausreichend befunden. Leider falsch getippt. So paddeln wir die 400m zum Schiff in der Dämmerung zurück. Irgendwie schaut Guido mich vorwurfsvoll an. Merkwürdig. Abends wird an Bord gekocht. Aioli-Nudeln und Thunfisch-Bohnensalat. Guido und Martina reißen diese Arbeit in den kommenden beiden Wochen irgendwie an sich. Ich komme nur ein, zwei Mal dazu, auch mal am Herd zu stehen, Alex gar nicht. Ab und zu billigt man uns wenigstens Handlangerdienste zu, z.B. Dosenöffnen, Tischdecken oder Gemüseschneiden. Alex und mir drängt sich der Eindruck auf, kein kochtechnisches Vertrauen bei den beiden anderen erweckt zu haben. Schade. Dafür dürfen wir dann gelegentlich abwaschen. Es geht wieder sehr früh zu Bett, Martina macht stets den Anfang, und wir ziehen dann schnell nach.
 
 
Montag, 07.02.2000
Martina, die Frühaufsteherin, weckt uns durch ihre Geschäftigkeit. Das Frühstück ritualisiert sich zunehmend. Danach fahren Guido und ich noch einmal zum Zoll, wechseln unsere US$ in EC$, die dortige Währung, East Caribbean Dollar, (1 : 2,67) und machen unser Schiff dann reisefertig. Wir konnten ein- und auch gleichzeitig auschecken, obwohl wir noch nach Vieux Fort wollen. Für unsere unter 40 Fuß lange Yacht zahlen wir 50 EC$ (ca. 37,- DM). Wir wollen an den Südzipfel von St. Lucia, nach Vieux Fort, um dann mit dem nächsten Schlag an St. Vincent vorbei direkt nach Bequia zu segeln. Nachdem das Dinghi an Deck festgelascht wurde, geht es gegen 10:00 Uhr los. Auf Höhe der Marigot Bay kommen uns Boote entgegen, die uns dorthin geleiten wollen. Aber wir wollen nicht, und so geben sie es nach 10 Minuten auf, uns überreden zu wollen. Obwohl wir im Lee der Insel fahren, ist reichlich Wind vorhanden. Es blasen 5 - 6 Windstärken. Der Himmel ist fast ganz bedeckt, und dies soll sich in den nächsten drei Wochen auch nicht großartig ändern. Auch werden wir, z.T. mehrmals täglich, von heftigen Regengüssen heimgesucht. Später bestätigt man uns, daß dies der seit langem wettertechnisch schlechteste Februar war. Aber wir sind jetzt hier und haben Urlaub. Also arrangieren wir uns damit. Wozu haben wir schließlich unsere Regenjacken mitgebracht. Die letzten beiden Stunden müssen wir nach Vieux Fort gegen Wind und Welle. Die erste Bewährungsprobe für den einen oder anderen Magen. Glücklich sind wir dann um 15:45 Uhr vor Anker. Tagesetappe 31 sm. Da wir etwas geschafft sind, hat keiner Lust, das Boot zu verlassen. Wir liegen in einer dreckigen Ecke, fünf andere Boote und eine Pier verschönern den Liegeplatz aber kein bißchen. Da wir morgen früh raus müssen, geht es nach einem zeitigen Abendessen sofort in die Koje. Immerhin ist es in Deutschland schon 1:00 Uhr nachts.
 
 
Dienstag, 08.02.2000
5:00 Uhr wecken. Alles geht sehr ruhig zu. Kaffe, Tee und Baguette werden recht einsilbig zu sich genommen. Auslaufen 6:30 Uhr. In dieser Nacht hat keiner gut geschlafen. Der Wind hat uns beinahe Vollkreise um unseren Anker drehen lassen. Jeder war in dieser Nacht mindestens einmal draußen. Auf der Überfahrt haben wir 2 - 3 Meter Welle. Der Wind frischt zunehmend auf, so daß wir die Rollgenua halb eindrehen und das Groß einmal reffen. St. Vincent lassen wir links liegen. Um 16:15 Uhr laufen wir in Port Elizabeth/Bequia in der Admiralty Bay ein. Tagesetappe 55 sm. Wir liegen in zweiter Reihe ganz in der Nähe des Frangipani. Guido und ich fahren zum Einklarieren. An Land angekommen, erfreuen wir uns erst einmal an der Freundlichkeit der Leute und dem Treiben entlang der Uferpromenade. Nur Customs & Immigrations finden wir nicht. Bis uns ein Einheimischer den Weg weist. Etwas versteckt in einer Nebenstraße ist dann aber doch das Büro. Wir zahlen 70 EC$ und brauchen jetzt nur noch bei unserer Rückreise in einer Woche auf St. Vincent auszuklarieren. Abends lassen wir uns per Wassertaxi zum Steg des Frangipani chauffieren. Unser Fahrer heißt Iva, und sein Boot "Iva's Love". 20 EC$ kostet uns die Fahrt, umgerechnet also 14 DM. Nicht ganz billig, aber bevor wir uns wieder in unser U-Dinghi setzen, immerhin eine Alternative. Obwohl wir keinen Platz reserviert haben, ergattern wir noch einen freien Tisch. Neben uns: Deutsche. Lautstark und auffällig. Wir halten uns zurück. Die Speisekarte ist recht überschaubar, aber das sind, so stellen wir noch fest, alle Speisekarten hier in den Windwards. Und was noch überall gleich ist: es gibt nur ein Besteck für Vor- und Hauptspeise, egal wie vornehm das Lokal auch ist. Wer es, wie wir, auf den Vorspeisenteller gelegt hatte, bekommt es wieder neben sich auf den Tisch. Na ja, was soll's. Was mir aber nachhaltig nicht gefällt ist eine Unsitte, das Trinkgefäß betreffend. Obwohl wir Rotwein zum Essen bestellt haben, und zwei verschieden große Gläser auf dem Tisch stehen, kommt der Wein in das kleine Glas, und in den größeren Kelch kommt das Wasser, welches immer und überall zum Essen gehört. Wie heißt es so schön: andere Länder, andere Sitten. Es gibt vorweg Thunfischsalat, dann einmal Tagesmenü, einmal Conch und zweimal Kingfish. Nach dem Essen gehen wir an die Bar, wo wir uns, wie sollte es auch anders sein, einem Cocktail-Selbsttest unterziehen. Guido versucht ab heute in jeder uns noch über den Weg laufenden Cocktailbar einen Banana-Daiquiri. Er ist Stammgast im "Rosebud" in Köln, und der Barmixer Frank, seines Zeichens Franzose, mixt angeblich den besten Banana-Daiquiri der Welt. Also wird verglichen bis der Arzt kommt.
 
 
Mittwoch, 09.02.2000
Nach der Morgentoilette gehen Tina und Alex einkaufen. Für 104 EC$ gibt es ein paar Dosen. Mal wieder alles reichlich teuer hier. Im Laden haben Deutsche nach Schwarzbrot gefragt. Es gab auch welches, aber das halbe Pfund für umgerechnet 15,- DM. So groß war dann der Hunger doch nicht. Nach dem Wasserbunkern bei Daffodil's Marine Services (21,7 Gallonen für 11,93 EC$) tuckern Guido und ich noch mal ins Dorf, um noch mehr Trinkwasser in Kanistern zu besorgen. Um 13:00 Uhr legen wir dann ab, um nach einem kurzen Schlag gegenan unter Motor um 15:45 Uhr Mustique anzulaufen. Tagesetappe 14sm. Wir machen in der Britannia Bay an Mooring No. 13 fest. Schließlich sind wir nicht abergläubisch. Auf der offiziellen, vorgedruckten Quittung streicht der freundliche Geldkassierer die Zahl 40 und verlangt 50 EC$ von uns, die er auch quittiert. Wir wollen noch schnell vor dem Abendessen in der einzigen Bar einen Sundowner zu uns nehmen. Martina entschließt sich, nicht mit an Land zu kommen. Wir drei Jungs sitzen also alleine in Basil's Bar beim mittlerweile After-Sundowner. Im Hintergrund steht das Equipment für eine Band, aber es rührt sich nichts. Irgendwann ist die Sonne dann genug gedownt, und wir fahren zurück zum Schiff, um das Abendessen vorzubereiten. Leicht angeschickert gibt es Ravioli aus der Dose von Mama Buitoni, die wir für genau solche Fälle mitgenommen haben. Irgendwie muß in dem Essen mal wieder ein schlafförderndes Ingredienz enthalten sein, denn gegen 21:30 Uhr liegen alle fest schlafend in ihrer Koje. Später werde ich trotz Ohrstöpsel wach und auf die drei anderen ziemlich wütend. Feiern die doch 'ne Bordparty mit reichlich lauter Musik. Und sagen mir noch nicht mal Bescheid. Ich sehe auf die Uhr: 00:30 Uhr. So eine Frechheit. Empört stehe ich auf, reiße die Tür zum Salon auf und stehe im Dunkeln. Nanu, Party im Dunkeln? Ohne Getränke, Radio aus, keiner da? Und dann dämmert's mir. Ich gehe an Deck und richtig: in Basil's Bar ist ein Jazz-Festival in vollem Gange. Und die Musik ist nicht von schlechten Eltern. Und je nach Windrichtung sogar lauter als sie es aus dem bordeigenen Radio gewesen wäre. An Schlafen ist jetzt erst mal nicht zu denken. Also mache ich aus der Not eine Tugend, ziehe mir ein Bier und hocke mich in die Plicht. Ab und zu klingt es, als ob Mick Jagger am Mikrofon steht. Was nicht besonders verwundern würde. Denn Mick und ein paar andere Promis haben auf Mustique, welches eine Privatinsel ist, ihre Urlaubsdomizile. Schade, daß der Außenborder schon abmontiert ist, sonst wär' ich gerne noch hingefahren. Um 03:00 Uhr ist dann Schluß mit lustig, und ich kann wieder in meine Koje kriechen. Am anderen Morgen will mir keiner so recht glauben, aber ein Blick in den Veranstaltungskalender der Inseln beweist es: gestern war der letzte Tag eines zehntägigen Jazzfestivals in Basil's Bar.
 
 
Donnerstag, 10.02.2000
Um 10:00 Uhr geht es mal wieder weiter. So langsam könnte es mal einen Buchttag geben, denn immer nur segeln ist auf Dauer ja langweilig. Viereinhalb Stunden später erreichen wir dann die Saline Bay auf Mayreau. Tagesetappe 22sm. Und hier merken wir: Glück und Unglück können ja so eng beieinander liegen. Niemand hätte gedacht, daß der zweite Ankerversuch nicht unser letzter für diesen Tag sein sollte. Um 18:00 Uhr stellen wir fest, daß wir uns dem hinter uns liegenden Boot gefährlich nähern. Scheinbar slippt unser Anker. Um das restliche Tageslicht noch auszunutzen, zögern wir nicht lange und bergen den Anker, um an anderer Stelle mit weniger Wind und dichter unter Land endgültig einen Platz für die Nacht zu finden. Bei Einbruch der Dämmerung liegen wir, diesmal hoffentlich fester, wieder vor Anker. Somit können wir uns in Ruhe dem Abendessen widmen. Gegen 21:00 Uhr fängt es mal wieder an zu regnen und auch der Wind nimmt zu. Auf einmal ruft Guido uns an Deck. Wir kommen unserem Hintermann bedrohlich nahe. Nur noch eine knappe Schiffslänge trennt uns. Jetzt ist guter Rat teuer. Der Wind pfeift mit 30 - 35 Knoten, es regnet reichlich und die Nacht ist stockdunkel. Kaum eines der Schiffe hat ein Ankerlicht an. Alex und ich beratschlagen. Schließlich einigen wir uns mit Martina und Guido darauf, mit dem Dinghi den zweiten Anker samt Kette auszubringen. Guido und Alex wollen den Ritt wagen. Der Außenborder wird wieder montiert, und ca. 70 kg Anker und Kette werden ins Dinghi verfrachtet. Wenn nur der verflixte Regen nicht wäre. Mit der Taschenlampe im Mund bringen die beiden im 45-Grad-Winkel zu unserem Hauptanker den Reservehaken aus. Der Festmacher am Ende der Kette reicht gerade bis zum Boot. Wir holen alles soweit dicht, bis wir unserem Hintermann nicht mehr gegen den Bugkorb schlagen können. Trotzdem werden wir Ankerwache gehen. Alex, Guido und ich teilen uns die Nacht. Am anderen Morgen liegen wir dann glücklicherweise noch genauso wie in der Nacht.
 
 
Freitag, 11.02.2000
Wir gönnen uns heute mal einen Non-Sailing-Day. Nachdem wir unseren Anker überprüft haben, stellen wir fest, daß der Zweitanker uns nur durch sein Gewicht und das der Kette gehalten hat. Macht aber nichts, Hauptsache wir liegen noch in der Bucht. Heute passiert nicht viel. Außer Faulenzen, Essen, Trinken, Lesen, Musikhören, Baden und so.
 
 
Samstag, 12.02.2000
Um 9:30 Uhr laufen wir aus der Saline Bay aus, Richtung Union Island. Unsere Wassertanks sind beinahe leer, und wir müssen für Nachschub sorgen. Angeblich sollen in den Tanks 300 Liter Süßwasser sein, welches wir nur zum Geschirr abwaschen und Duschen benutzen (gewaschen wird sich im Meer mit Salzwassershampoo), aber trotzdem reicht der Vorrat nicht sehr lange. Um 10:45 Uhr steuern wir Palm Island an, um dort das dringend benötigte Wasser zu bunkern. Der Anker fällt in zwei Meter Wassertiefe, und wir lassen uns zurücktreiben. Über Funk rufe ich "Sunset" auf VHF 16, um endlich an das begehrte Naß zu kommen. Nach mehreren Versuchen gebe ich es aber wieder auf. Niemand scheint mich zu hören. Also auf nach Union Island. Der Wind hat merklich zugenommen. Mittlerweile sind es wieder 7 Windstärken. Die zwei Meilen bis Clifton Harbor sind in kürzester Zeit zurückgelegt. Bei hochstehender Sonne sind die Untiefen in der Bucht sehr schön zu erkennen. Schon von weitem sieht man die Bunkerstation von Lambi. Mit 25kn achterlichem Wind geht es längsseits an die Pier. Ganz schön kurzer Bremsweg, denn nach 12 Metern ist die Wand vom Restaurant, und das hat noch nicht geöffnet. Aber alles funktioniert butterweich. Am Kopf des Piers, also mit dem Wind querab, liegt ein Katamaran. Das Ablegen verspricht spannend zu werden. Hafenkino aus allererster Reihe. Eindampfen in die Spring kennen die Franzosen scheinbar nicht. Dafür Vollgas mit hart Backbordruder. Leider hat sich der Wasserschlauch am Festmacher verheddert. Nur ein beherzter Sprung des Personals verhindert, daß der Kat den ganzen Steg mitnimmt. Ein gönnerhaftes Grinsen macht sich auf unseren Gesichtern breit. Aber es soll noch viel besser werden. Wir geben gerade den Befehl "Wasser marsch", um unsere Tanks wieder zu befüllen, als eine 48-Fuß-Yacht, die ich zuvor schon einmal gesehen habe, auf den Steg zumöllert. 8 Österreicher. So 'ne Art Kegelclub. Sie wollen dort, wo vorher der Kat gelegen hat, also mit seitlichem Wind, nach wie vor mit etwa 25kn, festmachen. An Backbord sind fünf Fender ausgebracht, und ca. eine Bootslänge vor dem Steg hält der Rudergänger es nicht für nötig, vom Gas zu gehen! Die Jungs brettern da also mit Rumpfgeschwindigkeit auf den Steg zu. Der Tankboy gestikuliert heftig, alle Augen der am Steg Stehenden weiten sich panikartig, und 5 Meter vor dem Steg legt der Steuermann dann doch noch hart Ruder, um wenigstens nicht direkt mit dem Bug in den Steg zu knallen. Dafür gibt es eine volle Breitseite, und selbst fünf Fender können diesen Rumms nicht abfedern. Ich springe schnell noch an Deck unseres Bootes, damit ich nicht mit dem Steg untergehe, aber man hat scheinbar Erfahrung mit solchen Anlegemanövern, der Steg wackelt zwar, aber er hält. Noch breiteres Grinsen auf unseren Gesichtern. Dafür sind unsere Tanks jetzt voll. Die Wasseruhr stand zu Beginn unseres Tankens bei 270, und jetzt zum Schluß bei 310 Gallonen. Nach Adam Riese 40 Einheiten. Bezahlen sollen wir aber 25 EC$ für 50 Gallonen Wasser. Ich überschlage noch mal schnell, komme aber trotzdem nur auf 40 Gallonen. Doch unser Tankwart rechnet mir genau die 50 Gallonen vor: 270 gleich 1, 280 gleich 2, 290 gleich 3, 300 gleich 4 und 310 gleich 5, also 50 Gallonen. Schallend lautes Gelächter bringt ihn aber nicht aus der Ruhe und er quittiert uns die 50 Gallonen auch noch. Na gut, denke ich, dafür lassen wir dann wenigstens unseren Müll hier, da zumindest keine Gefahr besteht, daß irgendwer ihn am Strand verbuddelt oder wieder ins Wasser wirft. Der Halunke will natürlich auch dafür noch ein Bakschisch haben. Unsere Laune ist gut, also soll er doch. Wir packen sogar noch eine Dose Bier dazu. Danach legen wir wieder ab, bei genau achterlichem Wind kein Problem. Also endlich Kurs auf die Tobago Kays. Gegen 14:30 Uhr schippern wir durch den Kanal zwischen Petit Rameau und Petit Bateau bis ans Horse-Shoe-Reef und liegen südlich der kleinen Insel Baradel. Hier mogeln wir uns dank unseres geringen Tiefganges von 70 cm bis fast ganz vorne. Aber der Anker hält mal wieder nicht. Weiter hinten liegen wir dann aber auch noch einigermaßen gut. Für die Nacht können wir aber nicht hier bleiben, dafür bläst es zu sehr. Schließlich ist direkt hinter dem Riff Afrika. Zwar einige tausend Meilen weg, aber immerhin. Martina ist mal wieder die erste im Wasser. Wir Jungs haben irgendwie keine Lust. Aber als Martina dann zum zehnten Mal mit lautem Juchzen von der Badeplattform ins Meer springt, lasse ich mich ebenfalls hinreißen. Kurze Zeit später ist auch Alex im Wasser. Mit der Einweg-Unterwasserkamera. Jacques Cousteau muß immer Schwerstarbeit geleistet haben. Es ist nämlich gar nicht so einfach, tauchenderweise Fotos von anderen unter Wasser zu machen. Wir sind mal gespannt, wie die Bilder wohl werden. Auf jeden Fall haben wir drei einen Mordsspaß. Selten so gelacht. Nur Guido ist nicht ins Wasser zu bekommen. Na ja, selber Schuld. Um 16:00 Uhr leert sich das Innere des Riffs und wir machen uns um 17:00 Uhr wieder zurück in die Salt Whistle Bay, da wir uns hier in den Tobagos wegen des sehr starken Windes und unseren Erfahrungen mit unserem Anker nicht ganz wohl fühlen. Tagesetappe 22sm. In der Salt Whistle Bay gibt es eine wunderschöne Strandbar, die wir jetzt ausgiebig testen. Nach einem Abendessen an Bord mit Blick auf den Strand klingt ein ziemlich schöner Urlaubstag leise aus.
 
 
Sonntag, 13.02.2000
Ankertag in der Bucht. Wir haben uns 50 Meter nach vorne verholt, um noch schneller an der Bar zu sein. Dies hier ist unser mit Abstand schönster Liegeplatz. 30 Meter vom Strand entfernt, auf 4 - 5 Meter Wassertiefe, in Rufweite zur Strandbar, die leider nicht ans Schiff liefert. Hier läßt es sich aushalten. So habe ich mir auch die Karibik vorgestellt. Wir schwimmen und schnorcheln und liegen faul herum. Herrlich. Hier bleib ich. Zumindest bis morgen.
 
 
Montag, 14.02.2000
8:00 Uhr. Wir laufen nach Mayreau aus. Allen ist bewußt, daß wir uns ab jetzt auf dem Rückweg befinden. Plötzlich ein lauter Ruf: Kuck mal da! Alles dreht sich um und sieht erst mal nichts. Dann plötzlich springt ein Rudel Delphine durch die Luft. Martina kriegt sich kaum noch ein, so sehr freut sie sich darüber. Ist aber auch schön, diese Tiere, wenn auch nur kurz, zu bestaunen. Die eleganten Erscheinungen sind irgendwie faszinierend. Leider dauert unser Treffen nur ein, zwei Minuten. Danach ist kein ‚Flipper' mehr zu sehen. Zwei Stunden später tauchen aber noch einmal drei Tiere auf, verschwinden aber genauso schnell wieder. Auf dem Wasser ist nie viel los. Ab und zu mal ein anderes Boot, mehr nicht. Zunächst halten wir das Boot, welches wir weiter entfernt ausmachen, für ein Fischerboot. Drei Gestalten im Ölzeug kämpfen sich durch die Wellen. Nach wenigen Minuten merken wir aber, daß sie sich uns nähern. Aber keiner schaut in unsere Richtung. Wir erkennen am Bug des kleinen Bootes eine Halterung, auf der eine Harpune mit Gewehrschaft steckt. Immer noch nähern sie sich uns. Langsam wird mir mulmig. Ich habe zwar nichts von Piratenüberfällen in den Windwards gelesen oder gehört, aber irgendwann ist immer das erste Mal. Wir tun erst mal so, als sei nichts. In Gedanken stürze ich schon unter Deck, reiße den Kasten mit der Signalmunition auf und richte eine Signalrakete auf die Verbrecher. Als sich das Boot auf etwa 30 Meter genähert hat, greift einer der Männer etwas vom Boden des Schiffes auf und ruft zu uns herüber: "Stoppen Sie sofort die Maschine! Dies ist ein Überfall!" Nein, natürlich nicht! Er fragt freundlich, ob wir Fisch kaufen wollen und hält einen ca. 60 cm großen Thunfisch in die Höhe. Ziemlich erleichtert winken wir ab, lachen den Fischern noch einmal zu und sind froh, als diese sofort wieder abdrehen. Ich habe wohl zu viel Krimis gelesen. Um 16:45 Uhr erreichen wir Port Elisabeth auf Bequia. Sämtliche Ankerplätze sind belegt, alle Mooringtonnen besetzt. Was nun? Die stets geschäftstüchtigen Einheimischen vermitteln uns schließlich dennoch eine Möglichkeit, unser Boot anzubinden. Tagesetappe 37sm. Einem Geheimtip aus dem Bartholmes folgend, wollen wir abends ins "Le Petit Jardin". Martina klinkt sich aus; irgendwie hatte sie wohl eine Vorahnung. Wieder mal bekommen wir auch ohne Reservierung einen Tisch. Die Speisekarte ist eine Tafel, die vor den Tisch gestellt wird. Ersten überschlägigen Kopfrechnungen nach ist das Essen mal wieder nicht sehr preiswert. Aber wir sind nur einmal hier, also wird erst mal bestellt, was das Zeug hält. Immerhin gibt es Stoffservietten. Zur Vorspeise gab es Krabben und Jacobsmuschel. Guido, unser Önologe, war für die Weinauswahl zuständig, und orderte einen Sancerre. Nachdem uns der erste Schluck gut gemundet hat, fragt Guido mich: "Sag mal HUF, wieviel sind eigentlich 167 EC$?" Nach kurzen Rechnen antwortete ich: "Etwa 130 DM, wieso?" "Na, soviel kostet dann unser Wein." Das betretene Schweigen währte nur sehr kurz, und wir freuten uns statt dessen auf unsere Hauptgerichte: Shrimps, Ente und Lamm. Zum Abschluß gönnten wir uns dann noch einen Kaffee und auch die Rechnung in Höhe von umgerechnet 460,- DM konnte uns nichts mehr anhaben. Schließlich hab ich nur mit Plastikgeld bezahlt. Tat also gar nicht weh. Der Absacker wurde beinahe schon traditionell im Frangipani eingenommen.
 
 
Dienstag, 15.02.2000
Unser heutiges Ziel lautet Wallilabou auf St. Vincent. Um 12:00 Uhr laufen wir aus. Wenige Meilen vor unserem Ziel schauen wir alle wie gebannt. Zunächst hielten wir den verzweifelt paddelnden Mann in dem ca. 4 Meter langen Ruderboot für einen in Seenot geratenen Fischer. Aber so dicht unter Land, keine 3 Seemeilen vor St. Vincent? Wir laufen unter Maschine, etwa 4kn. Als er sich uns auf Rufweite genähert hat, erkennen wir sehr schnell, um was es geht. Er will uns zu einem Ankerplatz in der Wallilabou-Bucht bringen und den Festmacher an Land an einer Palme anbringen. Wir mögen ihn doch bis dahin in Schlepp nehmen. Gewarnt durch Hinweise in unseren Revierführern lehnen wir rigoros ab, obwohl uns der Mann schon leid tut. Aber es kommt noch schlimmer. Obwohl wir sein Angebot nicht annehmen, pullt der arme Kerl aus Leibeskräften neben uns her. Ich bedeute Alex, etwas mehr Gas zu geben, aber so einfach läßt sich der Mann nicht um seine Chance bringen. Etwa zehn Minuten bleibt er gleichauf, dann wird er zunehmend langsamer. Als er dann etwa 200m hinter uns ist, gehen wir endlich wieder auf Marschfahrt. Aber wir bleiben nicht lange unbehelligt. Kurz vor der Bucht schiebt sich ein Motorboot neben uns. Der Fahrer stellt sich als Jahmal vor. Er begleitet uns in die Bucht, ebenfalls um unseren Festmacher an Land entgegenzunehmen. Abhauen ist hier aber nicht. Ein finster dreinblickender, aber durchweg freundlicher Zeitgenosse. Sein Gesicht sieht allerdings so aus, als ob er seine Stellung in diversen Faustkämpfen unter Beweis stellen mußte. Tagesetappe 28sm. Kaum fahren wir gegen 16:15 Uhr in die recht volle Bucht ein, nähern sich auch schon die ersten Gestalten auf alten Surfbords oder einfachsten Holzruderbooten. Kaum hält der Anker und ist die Leine an Land an einer Palme belegt, gibt es für die Schar der Verkäufer kein Halten mehr. Sämtliche Waren werden von außen auf dem Deck ausgebreitet und eine wilde Ruferei geht los. Captain hier und Captain da. Ich war zuerst da und der da kam nach mir. Als es mir nach einigen Minuten zu bunt wird, versuche ich Ruhe in das Chaos zu bringen. Dies gelingt mir nur bedingt. Mit dem Versprechen, streng nach Reihenfolge vorzugehen und das jeweilige Warenangebot zu prüfen, ist zumindest etwas Ruhe im Schiff. Uns tun die Menschen leid. Nirgends sonst haben wir solch eine Armut und Verzweiflung kennengelernt. Also kaufen wir jedem eine Kleinigkeit ab. Ob ich jetzt 130 DM für eine Flasche Wein ausgebe oder den Jungs hier ein paar EC$ für Sachen bezahle, die wir nicht zwingend brauchen, spielt keine Rolle. Außerdem erkaufen wir uns so einen etwas ruhigeren Schlaf. Nicht, daß noch einer von denen böse wird, und unsere Leine kappt. Wir kaufen Bananen, eine Kokosnuß, Muskatnüsse, bei Jahmal ordern wir für den nächsten Morgen frisches Brot, und später kaufen Martina und Alex noch bei Randolf zwei Armbänder aus Vulkangestein. Nur der arme Kerl, der nichts verkaufen kann, weil er nichts hat, aber unseren Müll entsorgen will, geht leer aus, denn vor derartiger Entsorgung sei gewarnt. Das Zeug landet garantiert wieder im Wasser. Zum Schluß geben wir jedem noch eine Dose Bier, obwohl einige so aussehen, als ob sie bis unter die Augenlider zugedröhnt seien. Wir fühlen uns trotzdem mies. Aber so etwas war ja vorauszusehen. Guido und ich machen uns dann auf den Weg zum Zollbüro. Nach einer halben Stunde Wartezeit erscheint der überaus freundliche Beamte. Von den sechs anwesenden Skippern wollen alle nur ausklarieren. Alles geht sehr schnell, dank unserer kopierten Crewlisten auch ohne viel Schreibarbeit. Wir kochen mal wieder selber, und nach dem Abendessen gönnen wir uns noch ein Bier an Deck. Dabei beobachten wir einen Streit zweier Einheimischer um einen größeren Stein, den man auf den Surfboards zum Sitzen braucht, und der durch den dadurch tieferen Schwerpunkt das Paddeln im Stehen möglich macht. Manchmal glaubten wir, die beiden würden sich umbringen. Schaurig-spannende Abendunterhaltung. Es geht aber trotz viel Geschrei und heftigem Gestikulieren unblutig zu Ende. Bevor wir zu Bett gehen wird alles verriegelt und verrammelt. Selbst die Backskisten werden abgeschlossen und das Schiebeluk geschlossen. Ist zwar warm, dafür aber sicherer. Aber die Nacht bleibt zum Glück ruhig.
 
 
Mittwoch, 16.02.2000
Um 6:00 Uhr wollen wir ablegen, also ist für 5:00 Uhr Aufstehen angesagt. Alex ist als erster wach und schleicht im Dunkeln durch den Salon, um selber erst mal in Schwung zu kommen. Als er dann zehn Minuten später das Licht einschaltet, schreckt er auch schon zusammen. "Pssst, pssst" macht es direkt neben seinem Ohr. Da hat schon der erste verkaufstüchtige Surfboardhändler Brot im Angebot. Da wir abends vorher bei Jahmal geordert haben, lehnen wir freundlich ab. Ganz schön aufdringlich die Jungs. Es klopft noch weitere Male an unsere Bordwand und jeder hat noch dies und das im Angebot. Deshalb beeilen wir uns mit dem Frühstück. Wir haben Jahmal für das Brot, welches auch pünktlich geliefert wurde, und für das Losbinden unseres Festmachers schon 20 EC$ bezahlt. Als wir dann gegen 6:30 Uhr loswollen, bleibt der Bursche jedoch verschwunden. Aber es gibt genug freundliche Helfer, die gegen ein kleines Entgelt in Höhe von weiteren 5 EC$ den Festmacher von der Palme losbinden. Und jetzt nichts wie weg hier. Wir verlassen als ungefähr viertes Schiff um 6:45 Uhr die Bucht. Auf der Back-Home-Rallye sind wir, von zwei weiter entfernt mitsegelnden Booten einmal abgesehen, allein. Rasmus meint es aber noch einmal gut mit uns. Alle 15 Minuten läßt einen die überkommende Gischt sich wie im Vollwaschgang fühlen. Fünf bis sechs Meter Wellenhöhe tun ein Übriges dazu. 7 Bft. sind ja beinahe schon Routine. Gegen 16:00 Uhr laufen wir in die Marigot Bay ein. Hier wurde der weltberühmte (ich kenne ihn leider nicht) Film Dr. Doolittle gedreht. Dazumal haben aber sicherlich nicht über 100 Yachten den Anblick verschandelt. Wir finden im Inneren der Bucht keinen freien Ankerplatz mehr und fragen nach, ob wir am Steg bei Moorings festmachen können. Gegen eine Gebühr von 27 US$ wird uns dies aber gerne gestattet. Tagesetappe 51sm. Aus den letzten noch verbliebenen Vorräten zaubern Guido und Martina wieder einmal ein tolles Abendessen. Ein fliegender, pardon, schwimmender Händler versucht uns mal wieder T-Shirts zu verkaufen. Wir geben ihm zu verstehen, daß wir ausschließlich an einem ganz bestimmten Shirt Interesse haben. Er verspricht, am nächsten Morgen mit der gewünschten Ware wieder da zu sein. Wir lassen uns mal überraschen.
 
 
Donnerstag, 17.02.2000
Der Vormittag gehört wieder einmal ganz der Faulenzerei. Wir stellen einstimmig fest, daß die Lobpreisung einiger Reiseführer, die Marigot Bay sei eine der schönsten Buchten der Karibik, so nicht zutrifft. Viel zu viele Menschen und Boote hier. Kurz nach 10:00 Uhr steht unser Händler von gestern abend mit den bestellten T-Shirts am Steg. Positiv überrascht verhandeln wir noch über den Preis, und nachdem beide Seiten glauben, einen guten Deal gemacht zu haben, wird man handelseinig. Wir beschließen, um den morgigen Schlag so kurz wie möglich zu halten, noch in die Rodney Bay zu verholen. Also laufen wir gegen 13:45 Uhr aus, damit wir gut zwei Stunden später dort am Steg festmachen können. Tagesetappe 9sm. Nach der Zollabfertigung (die Beamtin bei der Immigration hat am selben Tag wie Alex und ich Geburtstag), testen wir noch kurz an, wo wir abends Essen gehen wollen. Wir entschließen uns für das "The Three Amigos", seines Zeichens mexikanischer Kochart, und sind am Abend auch sehr zufrieden mit unserer Auswahl.
 
 
Freitag, 18.02.2000
Unser letzter Tag auf See. Um 7:30 Uhr geht es zurück Richtung Marin auf Martinique. Der letzte Schlag ist zum Glück nicht mehr allzu lang. Gegen 14:00 Uhr laufen wir in die Cul-de-sac-de-Marin ein. Noch ein kurzer Slalom am Club Med vorbei und wir nähern uns unserem Liegeplatz. Vorher müssen wir noch tanken. Am Steg der Tankstelle liegen zwei Boote, aber nach drei Ehrenrunden durchs Hafenbecken dürfen wir dann längsseits gehen. Letzte Amtshandlung als Fahrzeuglenker ist dann noch das Rückwärts-Einparken am Liegeplatz. Der erste Versuch schlägt fehl, weil unser Boot keine Ruderwirkung zeigt und der Wind den Bug sofort wegdrückt. Der zweite Versuch, mit mehr Anlauf und voller Kraft, gelingt dann. Tagesetappe 31sm. Etwas wehmütig, aber mit der Aussicht auf eine weitere Woche Hotelurlaub, klarieren wir das Schiff und packen unsere Sachen. Morgen früh um 9:00 Uhr ist Schiffsrückgabe. Jeder erledigt, was zu erledigen ist. Gegen abend sind wir dann mit allem fertig und gehen mal wieder in unser Stammlokal "Mango Bay !!". Alles beim alten, nichts hat sich verändert. Wie schön. Zwei Chansonniers machen sogar ziemlich gute Musik. Der Abend endet feucht-fröhlich.
 
 
Samstag, 19.02.2000
Um Punkt 9:00 Uhr kommt George, um das Boot zu inspizieren. Wir haben einen Knopf vom Gasherd verloren. Wahrscheinlich wurde er in irgendeinem Müllbeutel entsorgt. Und am letzten Tag hat sich noch ein Federchen an einem Patentschäkel (womit der Seezaun am Heckkorb befestigt wurde) verschleißbedingt vom Acker gemacht. Kann nicht so wild werden, denken wir. Außerdem haben wir noch im Wert von 400 - 500 FF reichlich Bier und Lebensmittel für George und die Service-Kräfte zurückgelassen, worüber diese sich auch sehr gefreut haben. Im Stützpunktbüro ist man noch nicht fertig, so daß wir um 10:00 Uhr erst mal Frühstücken gehen. Kurz nach elf sind wir wieder zurück. Auf die Frage, ob denn alles in Ordnung war, gehe ich leichtsinnigerweise recht schnell hinweg. Die Probleme mit dem Dinghi müßten dem Vercharterer sowieso bekannt sein; wahrscheinlich ist die Reparatur aber zu teuer. Als es dann um die hinterlegte Kaution geht, druckst die Dame erst etwas herum und präsentiert mir dann eine Rechnung über den Gasherdknopf über 4,20 DM und über einen nagelneuen Patentschäkel von über 60,- DM. Aber alles Diskutieren half nicht, denn immerhin war die Dame im Besitz meiner hinterlegten Kaution. Also haben wir zähneknirschend gezahlt. Aber das sollte in Deutschland mit der Agentur in Heiligenhafen noch ein Nachspiel haben. Ab jetzt trennten sich auch unsere Wege für eine Woche. Alex und Martina hatten sich wieder im ‚La Girafe' einquartiert, Guido und ich in St. Anne im Hotel Belfont. 3-Sterne-Luxus mit Pool und Cocktailbar. Aber davon erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.
 
P. S.: Eine Antwort bin ich noch schuldig geblieben. Martin W. sei Dank hole ich sie hier aber nach: den besten Banana-Daiquiri der Welt mixt Barmixer Frank aus dem "Rosebud" in Köln. Es lohnt sich also nicht, nur deswegen in die Karibik zu fahren.
 
À votre santé!