SEGELTÖRN
IN DIE WINDWARD ISLANDS
[03.02. -
19.02.2000]
Oktober 1998
Fünf Leute treffen die
folgenschwere Entscheidung, Ende Dezember 1999 zu diesem
sagenumwobenen Jahreswechsel in die Karibik zu segeln. Nachdem eine
Mitseglerin allerdings absagt, verschieben wir aus Kostengründen
den Törn auf Februar 2000.
Vermittelt wurde alles durch das Yacht- und Charterzentrum in
Heiligenhafen. Der Vercharterer vor Ort auf Martinique ist Chimere
Yachting. Unser Boot ist eine Feeling 356, Bj. Mai '98. Für zwei
Wochen kostet das Boot 6.800,- DM. Die Flüge haben wir bei Air
France gebucht, das Stück für 1.360,- DM ab Köln-Bonn.
Alle sind geimpft (Diphtherie, Tetanus, Hepatitis A + B, Typhus),
die Kosten hierfür belaufen sich noch einmal auf 300 - 400 DM. Nun
soll aber unserem lange erwarteten Urlaub nichts mehr im Wege
stehen.
Wir haben zwei Revierführer in Buchform an Bord, beide aus
Deutschland mitgebracht und beide im letzten Jahr aktualisiert. Der
eine ist der von Bernhard Bartholmes, der andere ist von Chris
Doyle. Zwar ist der Bartholmes in Deutsch und mit einem stabilen
Einband versehen, empfehlen kann ich ihn aber dennoch nicht. Er war
nicht besonders ausführlich und manche Informationen waren
schlichtweg schlecht recherchiert. Den Führer von Chris Doyle habe
ich mir auf Empfehlung meines Vercharterers über das Internet in
den USA besorgt. Und deutlich preiswerter war er obendrein. Alle
Informationen waren aktuell und sehr ausführlich dargestellt, auch
den Landgang betreffend. ISBN 0-944428-46-0, Preis ca. 45 DM incl.
Porto etc.
Donnerstag,
03.02.2000
Nachdem vier
Urlaubsreife sich um 12.00 Uhr am Köln-Bonner Flughafen getroffen
haben, ist die erste Ernüchterung auch schon da: der Flug nach
Paris hat Verspätung; und zwar ca. 1½ Stunden. Damit ist auch der
Anschlußflug von Paris nach Fort-de-France/Martinique gefährdet, da
unser Aufenthalt in Paris ebenfalls nur 1½ Stunden beträgt. Einen
weiteren Flug ab Paris gibt es an diesem Tag nicht, und die Flüge
an den nächsten beiden Tagen sind komplett ausgebucht. Verhaltener
Unmut macht sich breit. Erst mal abwarten. Als es dann mit 80
Minuten Verspätung endlich losgeht, stellt sich zum ersten Mal
etwas Urlaubsstimmung ein. Unser Flugzeug, eine Saab 2000 mit 50
Sitzplätzen, ist voll besetzt und überraschend geräumig. Nach der
Landung in Paris nehmen wir die Beine in die Hand und sprinten quer
durch vier Abflughallen in die untere Ebene und landen gehetzt vor
der Abfertigung Richtung Martinique. Dort erfahren wir dann, daß
der Flug nach Fort-de-France ca. 2½ Stunden Verspätung hat.
Erleichtert-verzweifeltes Grinsen macht sich auf unseren Gesichtern
breit. Fängt ja gut an. Endlich im Flieger, einer Boeing 747-200,
starten wir mit 2¼ Stunden Verspätung Richtung Karibik. Der Jumbo
ist bis auf den letzten Platz besetzt, und der Sitzabstand
jämmerlich gering. Wir fühlen uns wie Sardinen in der Dose. Und das
für die nächsten 8½ Stunden. Endlich, um 22.30 Uhr Ortszeit, landen
wir in Fort-de-France. Unser Taxifahrer wartet schon, um uns nach
halbstündiger Fahrt in unserem Hotel ‚La Girafe' in Le Marin
abzusetzen. Für die 35 km lange Fahrt zahlen wir 340 FF (ca.
100,-DM). Der Patron erwartet uns. Alex und Martina sowie Guido und
ich teilen uns je ein Zimmer. Diese Paarung bleibt auch irgendwie
über die nächsten dreieinhalb Wochen mehr oder weniger so bestehen.
Tasche abstellen, kurze Orientierung, zwei schnelle Biere und schon
liegt die Crew in den Betten. Frühstück wird für 8:30 Uhr
vereinbart.
Freitag,
04.02.2000
Die Nacht war laut,
unser Zimmer liegt an einer Hauptstraße, aber wir sind endlich am
Ziel unserer immerhin 16-monatigen Vorfreude. Die Zimmer kosten 504
FF (ca. 150,- DM) pro Nacht für zwei, incl. Frühstück. Wir treffen
uns im Zimmer von Alex und Martina, wo unser Frühstückstisch
aufgebaut wird. Es ist ein wenig exotisch, weil man nicht alles
kennt. Kleine fritierte Bällchen, die ein wenig nach Fisch
schmecken, finden keine allgemeine Zustimmung. Sie schmecken auch
nicht besser mit der sehr leckeren Ananasmarmelade. Dafür ist der
Saft klasse, das Obst frisch und ebenfalls sehr lecker. Ab heute
müssen wir auch mit dem für deutsche Gaumen auf Dauer nicht so
geliebten Weißbrot Vorlieb nehmen. Gegen 10.00 Uhr schauen wir uns
erstmalig bei Tageslicht um. Das Hotel liegt sehr zentral direkt am
Yachthafen. Wir melden uns beim Vercharterer und erhalten die
Auskunft, uns morgen nachmittag wieder zu melden, um die Übernahme
des Bootes, welche für Samstag, 17.00 Uhr geplant ist, zu
bewerkstelligen. Danach schlendern wir über den Steg, um vielleicht
schon mal einen Blick auf unser zukünftiges zu Hause zu erhaschen.
Es ist reichlich warm, und wir sitzen wenig später schon in der
ersten Bar, um bei Saft und Kaffee zu entspannen und den Streß der
letzten Monate langsam abzubauen. Ein Kaffee kostet etwa 15 FF,
eine große Flasche Wasser ebenfalls. Den Mittag vertrödeln wir, und
nachmittags lassen wir uns zum Einkauf in den Supermarché Annett
fahren. Dort legen wir erst einmal 2.900 FF (ca. 870,- DM) aus.
Bier, Cola, Saft, Trinkwasser, Nudeln, Reis, Obst, Gemüse,
Knabberzeug, Marmelade, Putzsachen und was man sonst noch so
braucht kosten hier mindestens genauso viel wie zu Hause. Das
Restaurant unter der Girafe, das ‚Le Resto', hat abends eine
recht interessante Speisekarte. Hier kann man, direkt an der
Promenade sitzend, Lokalkolorit genießen. Nach diversen Bierchen
und einigen Spirituosen ist der Hunger aber nicht mehr ganz so
groß. Martina geht früh und ohne Essen ins Bett, Alex spät,
aber auch ohne Essen, und Guido, mein Zimmergenosse aus Köln, und
ich testen das Creolische Hühnchen (55 FF). Allerdings ebenfalls
ohne rechten Appetit. Wegen des Zeitunterschiedes (in Europa ist es
immerhin fünf Stunden später) liegen wir gegen 22:00 Uhr erschlagen
im Bett. Morgen geht es weiter.
Samstag,
05.02.2000
Um 8:30 Uhr gibt es
wieder Frühstück bei Martina und Alex im Zimmer. Die beiden kommen
aus Bonn. Alex ist mein Co-Skipper und anerkannter Trimmexperte.
Irgendwie habe ich mir eine total verspannte Schulter zugezogen;
recht schmerzhaft. Aber Guido verpaßt mir eine Massage, damit ich
wenigstens meinen Kopf wieder bewegen kann. Um 10:00 Uhr stehen wir
wieder am Steg und warten darauf, daß es Nachmittag wird. Mittags
gibt es belegte Baguettes. Erste Anfragen beim Vercharterer
vertrösten uns auf 17:00 Uhr. Da wir aus dem Hotel auschecken
müssen, können wir gegen 15:00 Uhr schon mal die Taschen aufs Boot
schaffen. Um Punkt fünf dürfen wir dann das Boot betreten, eine
Feeling 356 mit Namen "Sea Joy". Wie sich später herausstellte:
Nomen non erat Omen. Für die Nichtlateiner: Vorspiegelung falscher
Tatsachen. Da das Schiff drei Kabinen hat, wir aber vier Leute
sind, einigen wir uns auf folgende Regelung: Jeder verbringt 3½
Nächte im Salon, damit man dafür dann immerhin zehn, elf Nächte in
einer geräumigen Doppelkabine verbringen kann. Martina erklärt sich
freundlicherweise bereit, sogar die ersten fünf Nächte dort zu
schlafen, so daß wir Jungs jeder noch drei etwas unbequemere
Übernachtungen haben werden. Nachdem alle ihre Sachen in den
Schränken verstaut haben und der Proviant in den Backskisten
lagert, ist es dunkel und wir überlegen uns, was man abends essen
könnte. Wir sitzen dann im ‚Mango Bay !!' bei profaner Pizza
(48 - 62 FF) und einheimischem Bier, Marke Lorraine. Es wird uns
über die nächsten zwei Wochen ein treuer Begleiter. Die Bedienung
im ‚Mango Bay !!' ist selbst für karibische Verhältnisse
ausgesprochen träge. Vielleicht liegt das am Klima. Wenn wir uns
nicht mehrmals bemerkbar machen, dann gibt es gar nichts. Aber
irgendwie gewöhnen wir uns im Laufe der Zeit an das langsame
Leben.
Sonntag,
06.02.2000
Erstes Frühstück an
Bord. Wir sind alle recht früh wach, sicherlich auch eine Folge der
Zeitumstellung. Ich kann meinen Kopf kaum bewegen. Gestern abend
hat Guido mir noch den Hals-/Schulterbereich massiert. Mal
abwarten. Wenn es nicht besser wird im Laufe des Tages, muß ich
wohl zum Arzt. Wieder beim Vercharterer wollen wir wissen, wann es
denn losgehen kann. Aber erst mal wird ein neues Großfall
eingezogen und wir müssen uns die Schnorchelsets, den Grill, das
Kartenmaterial und den Kurzwellenempfänger kümmern und an Bord
bringen. Da wir noch zolltechnisch ausklarieren müssen, drängt die
Zeit, da der Zollbeamte nur bis 12:00 Uhr da ist. Um 11:00 Uhr ist
immer noch nicht alles zur endgültigen Übernahme bereit, so daß
Martina sich mit der Dame am Stützpunkt anlegt, um wenigstens schon
mal die Schiffspapiere für den Zoll zu erhalten. Nach kurzen Disput
klappt dies dann wenigstens. Gegen 11:30 Uhr werden wir von George,
einem Einheimischen, in das Boot eingewiesen. Der Stützpunktleiter
(oder der, den wir dafür halten), ein Franzose, würdigt uns während
des ganzen Vormittags keines Blickes. Und reden kann er scheinbar
auch nicht. Unfreundlicher Mensch. Kurz nach 12:00 Uhr heißt es
dann endlich Leinen los. Ich habe noch zwei Schmerztabletten
eingeworfen; mein Nacken ist immer noch nicht in Ordnung. Der
Wetterbericht verspricht Temperaturen von 26 - 28° C am Tag und 22°
C in der Nacht. Wind aus E, Welle 2 - 2,5m. Das Dinghi im Schlepp
verlassen wir Le Marin mit Kurs auf St. Lucia. Wir wollen bis zur
Marigot Bay, schaffen es aber nur bis zur Rodney Bay, da wir nicht
im Dunkeln ankern wollen. Hinter dem Yachthafen im Osten der Bay
ist eine Ankerbucht, in der wir noch ein freies Plätzchen finden.
Tagesetappe 28sm. Kurz vor 18.00 Uhr düsen Guido und ich mit dem
Dinghi zu Customs und Immigrations. Auf den ersten Metern macht
sich aber schon unser Dinghi unbeliebt. Es läuft sehr schnell voll
mit Wasser, etwa 20 Liter in wenigen Minuten, so daß wir während
der Fahrt auch gleich schon lenzen müssen, um nicht zum U-Boot zu
werden. Tolle Überraschung. Das muß dem Vercharterer doch vorher
bekannt gewesen sein. Am Zoll angekommen müssen wir feststellen,
daß man schon Feierabend hat, und somit fahren wir unverrichteter
Dinge wieder zurück. Auf halber Strecke zum Boot verweigert der
Außenborder mangels Benzin seine Arbeit. Ich hatte vorher noch
nachgeschaut und am Motor gerüttelt und den Inhalt für ausreichend
befunden. Leider falsch getippt. So paddeln wir die 400m zum Schiff
in der Dämmerung zurück. Irgendwie schaut Guido mich vorwurfsvoll
an. Merkwürdig. Abends wird an Bord gekocht. Aioli-Nudeln und
Thunfisch-Bohnensalat. Guido und Martina reißen diese Arbeit in den
kommenden beiden Wochen irgendwie an sich. Ich komme nur ein, zwei
Mal dazu, auch mal am Herd zu stehen, Alex gar nicht. Ab und zu
billigt man uns wenigstens Handlangerdienste zu, z.B. Dosenöffnen,
Tischdecken oder Gemüseschneiden. Alex und mir drängt sich der
Eindruck auf, kein kochtechnisches Vertrauen bei den beiden anderen
erweckt zu haben. Schade. Dafür dürfen wir dann gelegentlich
abwaschen. Es geht wieder sehr früh zu Bett, Martina macht stets
den Anfang, und wir ziehen dann schnell nach.
Montag,
07.02.2000
Martina, die
Frühaufsteherin, weckt uns durch ihre Geschäftigkeit. Das Frühstück
ritualisiert sich zunehmend. Danach fahren Guido und ich noch
einmal zum Zoll, wechseln unsere US$ in EC$, die dortige Währung,
East Caribbean Dollar, (1 : 2,67) und machen unser Schiff dann
reisefertig. Wir konnten ein- und auch gleichzeitig auschecken,
obwohl wir noch nach Vieux Fort wollen. Für unsere unter 40 Fuß
lange Yacht zahlen wir 50 EC$ (ca. 37,- DM). Wir wollen an den
Südzipfel von St. Lucia, nach Vieux Fort, um dann mit dem nächsten
Schlag an St. Vincent vorbei direkt nach Bequia zu segeln. Nachdem
das Dinghi an Deck festgelascht wurde, geht es gegen 10:00 Uhr los.
Auf Höhe der Marigot Bay kommen uns Boote entgegen, die uns dorthin
geleiten wollen. Aber wir wollen nicht, und so geben sie es nach 10
Minuten auf, uns überreden zu wollen. Obwohl wir im Lee der Insel
fahren, ist reichlich Wind vorhanden. Es blasen 5 - 6 Windstärken.
Der Himmel ist fast ganz bedeckt, und dies soll sich in den
nächsten drei Wochen auch nicht großartig ändern. Auch werden wir,
z.T. mehrmals täglich, von heftigen Regengüssen heimgesucht. Später
bestätigt man uns, daß dies der seit langem wettertechnisch
schlechteste Februar war. Aber wir sind jetzt hier und haben
Urlaub. Also arrangieren wir uns damit. Wozu haben wir schließlich
unsere Regenjacken mitgebracht. Die letzten beiden Stunden müssen
wir nach Vieux Fort gegen Wind und Welle. Die erste Bewährungsprobe
für den einen oder anderen Magen. Glücklich sind wir dann um 15:45
Uhr vor Anker. Tagesetappe 31 sm. Da wir etwas geschafft sind, hat
keiner Lust, das Boot zu verlassen. Wir liegen in einer dreckigen
Ecke, fünf andere Boote und eine Pier verschönern den Liegeplatz
aber kein bißchen. Da wir morgen früh raus müssen, geht es nach
einem zeitigen Abendessen sofort in die Koje. Immerhin ist es in
Deutschland schon 1:00 Uhr nachts.
Dienstag,
08.02.2000
5:00 Uhr wecken. Alles
geht sehr ruhig zu. Kaffe, Tee und Baguette werden recht einsilbig
zu sich genommen. Auslaufen 6:30 Uhr. In dieser Nacht hat keiner
gut geschlafen. Der Wind hat uns beinahe Vollkreise um unseren
Anker drehen lassen. Jeder war in dieser Nacht mindestens einmal
draußen. Auf der Überfahrt haben wir 2 - 3 Meter Welle. Der Wind
frischt zunehmend auf, so daß wir die Rollgenua halb eindrehen und
das Groß einmal reffen. St. Vincent lassen wir links liegen. Um
16:15 Uhr laufen wir in Port Elizabeth/Bequia in der Admiralty Bay
ein. Tagesetappe 55 sm. Wir liegen in zweiter Reihe ganz in der
Nähe des Frangipani. Guido und ich fahren zum Einklarieren. An Land
angekommen, erfreuen wir uns erst einmal an der Freundlichkeit der
Leute und dem Treiben entlang der Uferpromenade. Nur Customs &
Immigrations finden wir nicht. Bis uns ein Einheimischer den Weg
weist. Etwas versteckt in einer Nebenstraße ist dann aber doch das
Büro. Wir zahlen 70 EC$ und brauchen jetzt nur noch bei unserer
Rückreise in einer Woche auf St. Vincent auszuklarieren. Abends
lassen wir uns per Wassertaxi zum Steg des Frangipani chauffieren.
Unser Fahrer heißt Iva, und sein Boot "Iva's Love". 20 EC$ kostet
uns die Fahrt, umgerechnet also 14 DM. Nicht ganz billig, aber
bevor wir uns wieder in unser U-Dinghi setzen, immerhin eine
Alternative. Obwohl wir keinen Platz reserviert haben, ergattern
wir noch einen freien Tisch. Neben uns: Deutsche. Lautstark und
auffällig. Wir halten uns zurück. Die Speisekarte ist recht
überschaubar, aber das sind, so stellen wir noch fest, alle
Speisekarten hier in den Windwards. Und was noch überall gleich
ist: es gibt nur ein Besteck für Vor- und Hauptspeise, egal wie
vornehm das Lokal auch ist. Wer es, wie wir, auf den
Vorspeisenteller gelegt hatte, bekommt es wieder neben sich auf den
Tisch. Na ja, was soll's. Was mir aber nachhaltig nicht gefällt ist
eine Unsitte, das Trinkgefäß betreffend. Obwohl wir Rotwein zum
Essen bestellt haben, und zwei verschieden große Gläser auf dem
Tisch stehen, kommt der Wein in das kleine Glas, und in den
größeren Kelch kommt das Wasser, welches immer und überall zum
Essen gehört. Wie heißt es so schön: andere Länder, andere Sitten.
Es gibt vorweg Thunfischsalat, dann einmal Tagesmenü, einmal Conch
und zweimal Kingfish. Nach dem Essen gehen wir an die Bar, wo wir
uns, wie sollte es auch anders sein, einem Cocktail-Selbsttest
unterziehen. Guido versucht ab heute in jeder uns noch über den Weg
laufenden Cocktailbar einen Banana-Daiquiri. Er ist Stammgast im
"Rosebud" in Köln, und der Barmixer Frank, seines Zeichens
Franzose, mixt angeblich den besten Banana-Daiquiri der Welt. Also
wird verglichen bis der Arzt kommt.
Mittwoch,
09.02.2000
Nach der Morgentoilette
gehen Tina und Alex einkaufen. Für 104 EC$ gibt es ein paar Dosen.
Mal wieder alles reichlich teuer hier. Im Laden haben Deutsche nach
Schwarzbrot gefragt. Es gab auch welches, aber das halbe Pfund für
umgerechnet 15,- DM. So groß war dann der Hunger doch nicht. Nach
dem Wasserbunkern bei Daffodil's Marine Services (21,7 Gallonen für
11,93 EC$) tuckern Guido und ich noch mal ins Dorf, um noch mehr
Trinkwasser in Kanistern zu besorgen. Um 13:00 Uhr legen wir dann
ab, um nach einem kurzen Schlag gegenan unter Motor um 15:45 Uhr
Mustique anzulaufen. Tagesetappe 14sm. Wir machen in der Britannia
Bay an Mooring No. 13 fest. Schließlich sind wir nicht
abergläubisch. Auf der offiziellen, vorgedruckten Quittung streicht
der freundliche Geldkassierer die Zahl 40 und verlangt 50 EC$ von
uns, die er auch quittiert. Wir wollen noch schnell vor dem
Abendessen in der einzigen Bar einen Sundowner zu uns nehmen.
Martina entschließt sich, nicht mit an Land zu kommen. Wir drei
Jungs sitzen also alleine in Basil's Bar beim mittlerweile
After-Sundowner. Im Hintergrund steht das Equipment für eine Band,
aber es rührt sich nichts. Irgendwann ist die Sonne dann genug
gedownt, und wir fahren zurück zum Schiff, um das Abendessen
vorzubereiten. Leicht angeschickert gibt es Ravioli aus der Dose
von Mama Buitoni, die wir für genau solche Fälle mitgenommen haben.
Irgendwie muß in dem Essen mal wieder ein schlafförderndes
Ingredienz enthalten sein, denn gegen 21:30 Uhr liegen alle fest
schlafend in ihrer Koje. Später werde ich trotz Ohrstöpsel wach und
auf die drei anderen ziemlich wütend. Feiern die doch 'ne Bordparty
mit reichlich lauter Musik. Und sagen mir noch nicht mal Bescheid.
Ich sehe auf die Uhr: 00:30 Uhr. So eine Frechheit. Empört stehe
ich auf, reiße die Tür zum Salon auf und stehe im Dunkeln. Nanu,
Party im Dunkeln? Ohne Getränke, Radio aus, keiner da? Und dann
dämmert's mir. Ich gehe an Deck und richtig: in Basil's Bar ist ein
Jazz-Festival in vollem Gange. Und die Musik ist nicht von
schlechten Eltern. Und je nach Windrichtung sogar lauter als sie es
aus dem bordeigenen Radio gewesen wäre. An Schlafen ist jetzt erst
mal nicht zu denken. Also mache ich aus der Not eine Tugend, ziehe
mir ein Bier und hocke mich in die Plicht. Ab und zu klingt es, als
ob Mick Jagger am Mikrofon steht. Was nicht besonders verwundern
würde. Denn Mick und ein paar andere Promis haben auf Mustique,
welches eine Privatinsel ist, ihre Urlaubsdomizile. Schade, daß der
Außenborder schon abmontiert ist, sonst wär' ich gerne noch
hingefahren. Um 03:00 Uhr ist dann Schluß mit lustig, und ich kann
wieder in meine Koje kriechen. Am anderen Morgen will mir keiner so
recht glauben, aber ein Blick in den Veranstaltungskalender der
Inseln beweist es: gestern war der letzte Tag eines zehntägigen
Jazzfestivals in Basil's Bar.
Donnerstag,
10.02.2000
Um 10:00 Uhr geht es mal
wieder weiter. So langsam könnte es mal einen Buchttag geben, denn
immer nur segeln ist auf Dauer ja langweilig. Viereinhalb Stunden
später erreichen wir dann die Saline Bay auf Mayreau. Tagesetappe
22sm. Und hier merken wir: Glück und Unglück können ja so eng
beieinander liegen. Niemand hätte gedacht, daß der zweite
Ankerversuch nicht unser letzter für diesen Tag sein sollte. Um
18:00 Uhr stellen wir fest, daß wir uns dem hinter uns liegenden
Boot gefährlich nähern. Scheinbar slippt unser Anker. Um das
restliche Tageslicht noch auszunutzen, zögern wir nicht lange und
bergen den Anker, um an anderer Stelle mit weniger Wind und dichter
unter Land endgültig einen Platz für die Nacht zu finden. Bei
Einbruch der Dämmerung liegen wir, diesmal hoffentlich fester,
wieder vor Anker. Somit können wir uns in Ruhe dem Abendessen
widmen. Gegen 21:00 Uhr fängt es mal wieder an zu regnen und auch
der Wind nimmt zu. Auf einmal ruft Guido uns an Deck. Wir kommen
unserem Hintermann bedrohlich nahe. Nur noch eine knappe
Schiffslänge trennt uns. Jetzt ist guter Rat teuer. Der Wind pfeift
mit 30 - 35 Knoten, es regnet reichlich und die Nacht ist
stockdunkel. Kaum eines der Schiffe hat ein Ankerlicht an. Alex und
ich beratschlagen. Schließlich einigen wir uns mit Martina und
Guido darauf, mit dem Dinghi den zweiten Anker samt Kette
auszubringen. Guido und Alex wollen den Ritt wagen. Der Außenborder
wird wieder montiert, und ca. 70 kg Anker und Kette werden ins
Dinghi verfrachtet. Wenn nur der verflixte Regen nicht wäre. Mit
der Taschenlampe im Mund bringen die beiden im 45-Grad-Winkel zu
unserem Hauptanker den Reservehaken aus. Der Festmacher am Ende der
Kette reicht gerade bis zum Boot. Wir holen alles soweit dicht, bis
wir unserem Hintermann nicht mehr gegen den Bugkorb schlagen
können. Trotzdem werden wir Ankerwache gehen. Alex, Guido und ich
teilen uns die Nacht. Am anderen Morgen liegen wir dann
glücklicherweise noch genauso wie in der Nacht.
Freitag,
11.02.2000
Wir gönnen uns heute mal
einen Non-Sailing-Day. Nachdem wir unseren Anker überprüft haben,
stellen wir fest, daß der Zweitanker uns nur durch sein Gewicht und
das der Kette gehalten hat. Macht aber nichts, Hauptsache wir
liegen noch in der Bucht. Heute passiert nicht viel. Außer
Faulenzen, Essen, Trinken, Lesen, Musikhören, Baden und so.
Samstag,
12.02.2000
Um 9:30 Uhr laufen wir
aus der Saline Bay aus, Richtung Union Island. Unsere Wassertanks
sind beinahe leer, und wir müssen für Nachschub sorgen. Angeblich
sollen in den Tanks 300 Liter Süßwasser sein, welches wir nur zum
Geschirr abwaschen und Duschen benutzen (gewaschen wird sich im
Meer mit Salzwassershampoo), aber trotzdem reicht der Vorrat nicht
sehr lange. Um 10:45 Uhr steuern wir Palm Island an, um dort
das dringend benötigte Wasser zu bunkern. Der Anker fällt in zwei
Meter Wassertiefe, und wir lassen uns zurücktreiben. Über Funk rufe
ich "Sunset" auf VHF 16, um endlich an das begehrte Naß zu kommen.
Nach mehreren Versuchen gebe ich es aber wieder auf. Niemand
scheint mich zu hören. Also auf nach Union Island. Der Wind hat
merklich zugenommen. Mittlerweile sind es wieder 7 Windstärken. Die
zwei Meilen bis Clifton Harbor sind in kürzester Zeit zurückgelegt.
Bei hochstehender Sonne sind die Untiefen in der Bucht sehr schön
zu erkennen. Schon von weitem sieht man die Bunkerstation von
Lambi. Mit 25kn achterlichem Wind geht es längsseits an die Pier.
Ganz schön kurzer Bremsweg, denn nach 12 Metern ist die Wand vom
Restaurant, und das hat noch nicht geöffnet. Aber alles
funktioniert butterweich. Am Kopf des Piers, also mit dem Wind
querab, liegt ein Katamaran. Das Ablegen verspricht spannend zu
werden. Hafenkino aus allererster Reihe. Eindampfen in die Spring
kennen die Franzosen scheinbar nicht. Dafür Vollgas mit hart
Backbordruder. Leider hat sich der Wasserschlauch am Festmacher
verheddert. Nur ein beherzter Sprung des Personals verhindert, daß
der Kat den ganzen Steg mitnimmt. Ein gönnerhaftes Grinsen macht
sich auf unseren Gesichtern breit. Aber es soll noch viel besser
werden. Wir geben gerade den Befehl "Wasser marsch", um unsere
Tanks wieder zu befüllen, als eine 48-Fuß-Yacht, die ich zuvor
schon einmal gesehen habe, auf den Steg zumöllert. 8 Österreicher.
So 'ne Art Kegelclub. Sie wollen dort, wo vorher der Kat gelegen
hat, also mit seitlichem Wind, nach wie vor mit etwa 25kn,
festmachen. An Backbord sind fünf Fender ausgebracht, und ca. eine
Bootslänge vor dem Steg hält der Rudergänger es nicht für nötig,
vom Gas zu gehen! Die Jungs brettern da also mit
Rumpfgeschwindigkeit auf den Steg zu. Der Tankboy gestikuliert
heftig, alle Augen der am Steg Stehenden weiten sich panikartig,
und 5 Meter vor dem Steg legt der Steuermann dann doch noch hart
Ruder, um wenigstens nicht direkt mit dem Bug in den Steg zu
knallen. Dafür gibt es eine volle Breitseite, und selbst fünf
Fender können diesen Rumms nicht abfedern. Ich springe schnell noch
an Deck unseres Bootes, damit ich nicht mit dem Steg untergehe,
aber man hat scheinbar Erfahrung mit solchen Anlegemanövern, der
Steg wackelt zwar, aber er hält. Noch breiteres Grinsen auf unseren
Gesichtern. Dafür sind unsere Tanks jetzt voll. Die Wasseruhr stand
zu Beginn unseres Tankens bei 270, und jetzt zum Schluß bei 310
Gallonen. Nach Adam Riese 40 Einheiten. Bezahlen sollen wir aber 25
EC$ für 50 Gallonen Wasser. Ich überschlage noch mal schnell, komme
aber trotzdem nur auf 40 Gallonen. Doch unser Tankwart rechnet mir
genau die 50 Gallonen vor: 270 gleich 1, 280 gleich 2, 290 gleich
3, 300 gleich 4 und 310 gleich 5, also 50 Gallonen. Schallend
lautes Gelächter bringt ihn aber nicht aus der Ruhe und er
quittiert uns die 50 Gallonen auch noch. Na gut, denke ich, dafür
lassen wir dann wenigstens unseren Müll hier, da zumindest keine
Gefahr besteht, daß irgendwer ihn am Strand verbuddelt oder wieder
ins Wasser wirft. Der Halunke will natürlich auch dafür noch ein
Bakschisch haben. Unsere Laune ist gut, also soll er doch. Wir
packen sogar noch eine Dose Bier dazu. Danach legen wir wieder ab,
bei genau achterlichem Wind kein Problem. Also endlich Kurs auf die
Tobago Kays. Gegen 14:30 Uhr schippern wir durch den Kanal zwischen
Petit Rameau und Petit Bateau bis ans Horse-Shoe-Reef und liegen
südlich der kleinen Insel Baradel. Hier mogeln wir uns dank unseres
geringen Tiefganges von 70 cm bis fast ganz vorne. Aber der Anker
hält mal wieder nicht. Weiter hinten liegen wir dann aber auch noch
einigermaßen gut. Für die Nacht können wir aber nicht hier bleiben,
dafür bläst es zu sehr. Schließlich ist direkt hinter dem Riff
Afrika. Zwar einige tausend Meilen weg, aber immerhin. Martina ist
mal wieder die erste im Wasser. Wir Jungs haben irgendwie keine
Lust. Aber als Martina dann zum zehnten Mal mit lautem Juchzen von
der Badeplattform ins Meer springt, lasse ich mich ebenfalls
hinreißen. Kurze Zeit später ist auch Alex im Wasser. Mit der
Einweg-Unterwasserkamera. Jacques Cousteau muß immer Schwerstarbeit
geleistet haben. Es ist nämlich gar nicht so einfach,
tauchenderweise Fotos von anderen unter Wasser zu machen. Wir sind
mal gespannt, wie die Bilder wohl werden. Auf jeden Fall haben wir
drei einen Mordsspaß. Selten so gelacht. Nur Guido ist nicht ins
Wasser zu bekommen. Na ja, selber Schuld. Um 16:00 Uhr leert sich
das Innere des Riffs und wir machen uns um 17:00 Uhr wieder zurück
in die Salt Whistle Bay, da wir uns hier in den Tobagos wegen des
sehr starken Windes und unseren Erfahrungen mit unserem Anker nicht
ganz wohl fühlen. Tagesetappe 22sm. In der Salt Whistle Bay gibt es
eine wunderschöne Strandbar, die wir jetzt ausgiebig testen. Nach
einem Abendessen an Bord mit Blick auf den Strand klingt ein
ziemlich schöner Urlaubstag leise aus.
Sonntag,
13.02.2000
Ankertag in der Bucht.
Wir haben uns 50 Meter nach vorne verholt, um noch schneller an der
Bar zu sein. Dies hier ist unser mit Abstand schönster Liegeplatz.
30 Meter vom Strand entfernt, auf 4 - 5 Meter Wassertiefe, in
Rufweite zur Strandbar, die leider nicht ans Schiff liefert. Hier
läßt es sich aushalten. So habe ich mir auch die Karibik
vorgestellt. Wir schwimmen und schnorcheln und liegen faul herum.
Herrlich. Hier bleib ich. Zumindest bis morgen.
Montag,
14.02.2000
8:00 Uhr. Wir laufen
nach Mayreau aus. Allen ist bewußt, daß wir uns ab jetzt auf dem
Rückweg befinden. Plötzlich ein lauter Ruf: Kuck mal da! Alles
dreht sich um und sieht erst mal nichts. Dann plötzlich springt ein
Rudel Delphine durch die Luft. Martina kriegt sich kaum noch ein,
so sehr freut sie sich darüber. Ist aber auch schön, diese Tiere,
wenn auch nur kurz, zu bestaunen. Die eleganten Erscheinungen sind
irgendwie faszinierend. Leider dauert unser Treffen nur ein, zwei
Minuten. Danach ist kein ‚Flipper' mehr zu sehen. Zwei
Stunden später tauchen aber noch einmal drei Tiere auf,
verschwinden aber genauso schnell wieder. Auf dem Wasser ist nie
viel los. Ab und zu mal ein anderes Boot, mehr nicht. Zunächst
halten wir das Boot, welches wir weiter entfernt ausmachen, für ein
Fischerboot. Drei Gestalten im Ölzeug kämpfen sich durch die
Wellen. Nach wenigen Minuten merken wir aber, daß sie sich uns
nähern. Aber keiner schaut in unsere Richtung. Wir erkennen am Bug
des kleinen Bootes eine Halterung, auf der eine Harpune mit
Gewehrschaft steckt. Immer noch nähern sie sich uns. Langsam wird
mir mulmig. Ich habe zwar nichts von Piratenüberfällen in den
Windwards gelesen oder gehört, aber irgendwann ist immer das erste
Mal. Wir tun erst mal so, als sei nichts. In Gedanken stürze ich
schon unter Deck, reiße den Kasten mit der Signalmunition auf und
richte eine Signalrakete auf die Verbrecher. Als sich das Boot auf
etwa 30 Meter genähert hat, greift einer der Männer etwas vom Boden
des Schiffes auf und ruft zu uns herüber: "Stoppen Sie sofort die
Maschine! Dies ist ein Überfall!" Nein, natürlich nicht! Er fragt
freundlich, ob wir Fisch kaufen wollen und hält einen ca. 60 cm
großen Thunfisch in die Höhe. Ziemlich erleichtert winken wir ab,
lachen den Fischern noch einmal zu und sind froh, als diese sofort
wieder abdrehen. Ich habe wohl zu viel Krimis gelesen. Um 16:45 Uhr
erreichen wir Port Elisabeth auf Bequia. Sämtliche Ankerplätze sind
belegt, alle Mooringtonnen besetzt. Was nun? Die stets
geschäftstüchtigen Einheimischen vermitteln uns schließlich dennoch
eine Möglichkeit, unser Boot anzubinden. Tagesetappe 37sm. Einem
Geheimtip aus dem Bartholmes folgend, wollen wir abends ins "Le
Petit Jardin". Martina klinkt sich aus; irgendwie hatte sie wohl
eine Vorahnung. Wieder mal bekommen wir auch ohne Reservierung
einen Tisch. Die Speisekarte ist eine Tafel, die vor den Tisch
gestellt wird. Ersten überschlägigen Kopfrechnungen nach ist das
Essen mal wieder nicht sehr preiswert. Aber wir sind nur einmal
hier, also wird erst mal bestellt, was das Zeug hält. Immerhin gibt
es Stoffservietten. Zur Vorspeise gab es Krabben und Jacobsmuschel.
Guido, unser Önologe, war für die Weinauswahl zuständig, und
orderte einen Sancerre. Nachdem uns der erste Schluck gut gemundet
hat, fragt Guido mich: "Sag mal HUF, wieviel sind eigentlich 167
EC$?" Nach kurzen Rechnen antwortete ich: "Etwa 130 DM, wieso?"
"Na, soviel kostet dann unser Wein." Das betretene Schweigen währte
nur sehr kurz, und wir freuten uns statt dessen auf unsere
Hauptgerichte: Shrimps, Ente und Lamm. Zum Abschluß gönnten wir uns
dann noch einen Kaffee und auch die Rechnung in Höhe von
umgerechnet 460,- DM konnte uns nichts mehr anhaben. Schließlich
hab ich nur mit Plastikgeld bezahlt. Tat also gar nicht weh. Der
Absacker wurde beinahe schon traditionell im Frangipani
eingenommen.
Dienstag,
15.02.2000
Unser heutiges Ziel
lautet Wallilabou auf St. Vincent. Um 12:00 Uhr laufen wir aus.
Wenige Meilen vor unserem Ziel schauen wir alle wie gebannt.
Zunächst hielten wir den verzweifelt paddelnden Mann in dem ca. 4
Meter langen Ruderboot für einen in Seenot geratenen Fischer. Aber
so dicht unter Land, keine 3 Seemeilen vor St. Vincent? Wir laufen
unter Maschine, etwa 4kn. Als er sich uns auf Rufweite genähert
hat, erkennen wir sehr schnell, um was es geht. Er will uns zu
einem Ankerplatz in der Wallilabou-Bucht bringen und den Festmacher
an Land an einer Palme anbringen. Wir mögen ihn doch bis dahin in
Schlepp nehmen. Gewarnt durch Hinweise in unseren Revierführern
lehnen wir rigoros ab, obwohl uns der Mann schon leid tut. Aber es
kommt noch schlimmer. Obwohl wir sein Angebot nicht annehmen, pullt
der arme Kerl aus Leibeskräften neben uns her. Ich bedeute Alex,
etwas mehr Gas zu geben, aber so einfach läßt sich der Mann nicht
um seine Chance bringen. Etwa zehn Minuten bleibt er gleichauf,
dann wird er zunehmend langsamer. Als er dann etwa 200m hinter uns
ist, gehen wir endlich wieder auf Marschfahrt. Aber wir bleiben
nicht lange unbehelligt. Kurz vor der Bucht schiebt sich ein
Motorboot neben uns. Der Fahrer stellt sich als Jahmal vor. Er
begleitet uns in die Bucht, ebenfalls um unseren Festmacher an Land
entgegenzunehmen. Abhauen ist hier aber nicht. Ein finster
dreinblickender, aber durchweg freundlicher Zeitgenosse. Sein
Gesicht sieht allerdings so aus, als ob er seine Stellung in
diversen Faustkämpfen unter Beweis stellen mußte. Tagesetappe 28sm.
Kaum fahren wir gegen 16:15 Uhr in die recht volle Bucht ein,
nähern sich auch schon die ersten Gestalten auf alten Surfbords
oder einfachsten Holzruderbooten. Kaum hält der Anker und ist die
Leine an Land an einer Palme belegt, gibt es für die Schar der
Verkäufer kein Halten mehr. Sämtliche Waren werden von außen auf
dem Deck ausgebreitet und eine wilde Ruferei geht los. Captain hier
und Captain da. Ich war zuerst da und der da kam nach mir. Als es
mir nach einigen Minuten zu bunt wird, versuche ich Ruhe in das
Chaos zu bringen. Dies gelingt mir nur bedingt. Mit dem
Versprechen, streng nach Reihenfolge vorzugehen und das jeweilige
Warenangebot zu prüfen, ist zumindest etwas Ruhe im Schiff. Uns tun
die Menschen leid. Nirgends sonst haben wir solch eine Armut und
Verzweiflung kennengelernt. Also kaufen wir jedem eine Kleinigkeit
ab. Ob ich jetzt 130 DM für eine Flasche Wein ausgebe oder den
Jungs hier ein paar EC$ für Sachen bezahle, die wir nicht zwingend
brauchen, spielt keine Rolle. Außerdem erkaufen wir uns so einen
etwas ruhigeren Schlaf. Nicht, daß noch einer von denen böse wird,
und unsere Leine kappt. Wir kaufen Bananen, eine Kokosnuß,
Muskatnüsse, bei Jahmal ordern wir für den nächsten Morgen frisches
Brot, und später kaufen Martina und Alex noch bei Randolf zwei
Armbänder aus Vulkangestein. Nur der arme Kerl, der nichts
verkaufen kann, weil er nichts hat, aber unseren Müll entsorgen
will, geht leer aus, denn vor derartiger Entsorgung sei gewarnt.
Das Zeug landet garantiert wieder im Wasser. Zum Schluß geben wir
jedem noch eine Dose Bier, obwohl einige so aussehen, als ob sie
bis unter die Augenlider zugedröhnt seien. Wir fühlen uns trotzdem
mies. Aber so etwas war ja vorauszusehen. Guido und ich machen uns
dann auf den Weg zum Zollbüro. Nach einer halben Stunde Wartezeit
erscheint der überaus freundliche Beamte. Von den sechs anwesenden
Skippern wollen alle nur ausklarieren. Alles geht sehr schnell,
dank unserer kopierten Crewlisten auch ohne viel Schreibarbeit. Wir
kochen mal wieder selber, und nach dem Abendessen gönnen wir uns
noch ein Bier an Deck. Dabei beobachten wir einen Streit zweier
Einheimischer um einen größeren Stein, den man auf den Surfboards
zum Sitzen braucht, und der durch den dadurch tieferen Schwerpunkt
das Paddeln im Stehen möglich macht. Manchmal glaubten wir, die
beiden würden sich umbringen. Schaurig-spannende Abendunterhaltung.
Es geht aber trotz viel Geschrei und heftigem Gestikulieren
unblutig zu Ende. Bevor wir zu Bett gehen wird alles verriegelt und
verrammelt. Selbst die Backskisten werden abgeschlossen und das
Schiebeluk geschlossen. Ist zwar warm, dafür aber sicherer. Aber
die Nacht bleibt zum Glück ruhig.
Mittwoch,
16.02.2000
Um 6:00 Uhr wollen wir
ablegen, also ist für 5:00 Uhr Aufstehen angesagt. Alex ist als
erster wach und schleicht im Dunkeln durch den Salon, um selber
erst mal in Schwung zu kommen. Als er dann zehn Minuten später das
Licht einschaltet, schreckt er auch schon zusammen. "Pssst, pssst"
macht es direkt neben seinem Ohr. Da hat schon der erste
verkaufstüchtige Surfboardhändler Brot im Angebot. Da wir abends
vorher bei Jahmal geordert haben, lehnen wir freundlich ab. Ganz
schön aufdringlich die Jungs. Es klopft noch weitere Male an unsere
Bordwand und jeder hat noch dies und das im Angebot. Deshalb
beeilen wir uns mit dem Frühstück. Wir haben Jahmal für das Brot,
welches auch pünktlich geliefert wurde, und für das Losbinden
unseres Festmachers schon 20 EC$ bezahlt. Als wir dann gegen 6:30
Uhr loswollen, bleibt der Bursche jedoch verschwunden. Aber es gibt
genug freundliche Helfer, die gegen ein kleines Entgelt in Höhe von
weiteren 5 EC$ den Festmacher von der Palme losbinden. Und jetzt
nichts wie weg hier. Wir verlassen als ungefähr viertes Schiff um
6:45 Uhr die Bucht. Auf der Back-Home-Rallye sind wir, von zwei
weiter entfernt mitsegelnden Booten einmal abgesehen, allein.
Rasmus meint es aber noch einmal gut mit uns. Alle 15 Minuten läßt
einen die überkommende Gischt sich wie im Vollwaschgang fühlen.
Fünf bis sechs Meter Wellenhöhe tun ein Übriges dazu. 7 Bft. sind
ja beinahe schon Routine. Gegen 16:00 Uhr laufen wir in die Marigot
Bay ein. Hier wurde der weltberühmte (ich kenne ihn leider nicht)
Film Dr. Doolittle gedreht. Dazumal haben aber sicherlich nicht
über 100 Yachten den Anblick verschandelt. Wir finden im Inneren
der Bucht keinen freien Ankerplatz mehr und fragen nach, ob wir am
Steg bei Moorings festmachen können. Gegen eine Gebühr von 27 US$
wird uns dies aber gerne gestattet. Tagesetappe 51sm. Aus den
letzten noch verbliebenen Vorräten zaubern Guido und Martina wieder
einmal ein tolles Abendessen. Ein fliegender, pardon, schwimmender
Händler versucht uns mal wieder T-Shirts zu verkaufen. Wir geben
ihm zu verstehen, daß wir ausschließlich an einem ganz bestimmten
Shirt Interesse haben. Er verspricht, am nächsten Morgen mit der
gewünschten Ware wieder da zu sein. Wir lassen uns mal
überraschen.
Donnerstag,
17.02.2000
Der Vormittag gehört
wieder einmal ganz der Faulenzerei. Wir stellen einstimmig fest,
daß die Lobpreisung einiger Reiseführer, die Marigot Bay sei eine
der schönsten Buchten der Karibik, so nicht zutrifft. Viel zu viele
Menschen und Boote hier. Kurz nach 10:00 Uhr steht unser Händler
von gestern abend mit den bestellten T-Shirts am Steg. Positiv
überrascht verhandeln wir noch über den Preis, und nachdem beide
Seiten glauben, einen guten Deal gemacht zu haben, wird man
handelseinig. Wir beschließen, um den morgigen Schlag so kurz wie
möglich zu halten, noch in die Rodney Bay zu verholen. Also laufen
wir gegen 13:45 Uhr aus, damit wir gut zwei Stunden später dort am
Steg festmachen können. Tagesetappe 9sm. Nach der Zollabfertigung
(die Beamtin bei der Immigration hat am selben Tag wie Alex und ich
Geburtstag), testen wir noch kurz an, wo wir abends Essen gehen
wollen. Wir entschließen uns für das "The Three Amigos", seines
Zeichens mexikanischer Kochart, und sind am Abend auch sehr
zufrieden mit unserer Auswahl.
Freitag, 18.02.2000
Unser letzter Tag auf
See. Um 7:30 Uhr geht es zurück Richtung Marin auf Martinique. Der
letzte Schlag ist zum Glück nicht mehr allzu lang. Gegen 14:00 Uhr
laufen wir in die Cul-de-sac-de-Marin ein. Noch ein kurzer Slalom
am Club Med vorbei und wir nähern uns unserem Liegeplatz. Vorher
müssen wir noch tanken. Am Steg der Tankstelle liegen zwei Boote,
aber nach drei Ehrenrunden durchs Hafenbecken dürfen wir dann
längsseits gehen. Letzte Amtshandlung als Fahrzeuglenker ist dann
noch das Rückwärts-Einparken am Liegeplatz. Der erste Versuch
schlägt fehl, weil unser Boot keine Ruderwirkung zeigt und der Wind
den Bug sofort wegdrückt. Der zweite Versuch, mit mehr Anlauf und
voller Kraft, gelingt dann. Tagesetappe 31sm. Etwas wehmütig, aber
mit der Aussicht auf eine weitere Woche Hotelurlaub, klarieren wir
das Schiff und packen unsere Sachen. Morgen früh um 9:00 Uhr ist
Schiffsrückgabe. Jeder erledigt, was zu erledigen ist. Gegen abend
sind wir dann mit allem fertig und gehen mal wieder in unser
Stammlokal "Mango Bay !!". Alles beim alten, nichts hat sich
verändert. Wie schön. Zwei Chansonniers machen sogar ziemlich gute
Musik. Der Abend endet feucht-fröhlich.
Samstag,
19.02.2000
Um Punkt 9:00 Uhr kommt
George, um das Boot zu inspizieren. Wir haben einen Knopf vom
Gasherd verloren. Wahrscheinlich wurde er in irgendeinem Müllbeutel
entsorgt. Und am letzten Tag hat sich noch ein Federchen an einem
Patentschäkel (womit der Seezaun am Heckkorb befestigt wurde)
verschleißbedingt vom Acker gemacht. Kann nicht so wild werden,
denken wir. Außerdem haben wir noch im Wert von 400 - 500 FF
reichlich Bier und Lebensmittel für George und die Service-Kräfte
zurückgelassen, worüber diese sich auch sehr gefreut haben. Im
Stützpunktbüro ist man noch nicht fertig, so daß wir um 10:00 Uhr
erst mal Frühstücken gehen. Kurz nach elf sind wir wieder zurück.
Auf die Frage, ob denn alles in Ordnung war, gehe ich
leichtsinnigerweise recht schnell hinweg. Die Probleme mit dem
Dinghi müßten dem Vercharterer sowieso bekannt sein; wahrscheinlich
ist die Reparatur aber zu teuer. Als es dann um die hinterlegte
Kaution geht, druckst die Dame erst etwas herum und präsentiert mir
dann eine Rechnung über den Gasherdknopf über 4,20 DM und über
einen nagelneuen Patentschäkel von über 60,- DM. Aber alles
Diskutieren half nicht, denn immerhin war die Dame im Besitz meiner
hinterlegten Kaution. Also haben wir zähneknirschend gezahlt. Aber
das sollte in Deutschland mit der Agentur in Heiligenhafen noch ein
Nachspiel haben. Ab jetzt trennten sich auch unsere Wege für eine
Woche. Alex und Martina hatten sich wieder im ‚La Girafe'
einquartiert, Guido und ich in St. Anne im Hotel Belfont.
3-Sterne-Luxus mit Pool und Cocktailbar. Aber davon erzähle ich
vielleicht ein anderes Mal.
P. S.: Eine Antwort bin ich noch schuldig geblieben. Martin W. sei
Dank hole ich sie hier aber nach: den besten Banana-Daiquiri der
Welt mixt Barmixer Frank aus dem "Rosebud" in Köln. Es lohnt sich
also nicht, nur deswegen in die Karibik zu fahren.
À votre santé!